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Politiker informieren sich bei Experten über Kampfhundeproblematik  

 

Hiddingen (hm). Nach dem Tod des kleinen Jungen in Hamburg, der von einem Hund angefallen wurde, ist die Diskussion um die sogenannten Kampfhunde und Maßnahmen zum Schutz der Menschen neu entbrannt. Inzwischen ist ein Wesenstest in Arbeit, der die Unbedenklichkeit von Tieren bestimmter Rassen nachweisen soll. Jetzt informierten sich Politiker auf Einladung von Joachim Raddatz, Vorsitzender des Breitensportclubs für Turnierhunde Visselhövede, in einem Kreis von Züchtern, Tierschützern und Hundehaltern über die Problematik.

   Hermann Pille, Vorsitzender des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH), Landesverband Weser-Ems, befürchtet, dass eine Sachdiskussion zur Zeit kaum möglich ist. „Das Thema müsste frei von Polemik aufgearbeitet werden. Dafür setze sich der VDH seit Jahren ein. „Wir fordern schon lange, die Behörden finanziell und personell so auszustatten, dass die bestehenden Verordnungen konsequent durchgesetzt werden können. Ware das der Fall gewesen, würde der kleine Hamburger Junge noch leben." Der VDH fordere darüber hinaus seit langem eine Kontrollinstanz bei „Hundevermehrern", einen Hundeführerschein und eine Kennzeichnungspflicht für Hunde Pille: „Ansonsten kann ich nur bestätigen, dass ein überaggressiver Hund keine Lebensberechtigung hat. Aber das festzustellen, braucht es eine Einzeluntersuchung und keine Rassenausrottung." Ein entscheidendes Problem aus Sicht der Hundehalter und Tierschützer ist der allgemeine Maulkorbzwang für Tiere ohne Wesenstest. Der Test wird derzeit erst ausgearbeitet. Anschließend müssen Tierärzte geschult werden, die den Test abnehmen sollen. Vor Dezember wird der Test nicht durch zufuhren sein.

   Thomas Henkenjohann, Vorsitzender des Vereins gegen Diskriminierung von Hund und Halter: „Sollen, wir bis dahin allen Hunden der Kategorie 1 und 2 Maulkörbe aufsetzen? Dann haben wir hinterher garantiert eine Menge aggressive Tiere." Hunde seien nicht in der Lage zu schwitzen und deshalb auf das Hecheln angewiesen. Mit Maulkorb sei das kaum möglich.

   Außerdem, so Regina Buchhop, Vorsitzende des ortsansässigen Tierschutzvereins, fehle gerade älteren Tieren jedes Verständnis dafür, dass ihnen plötzlich dieser Fremdkörper aufgezwungen werde Buchhop: „Diese Verordnung ist übers Knie gebrochen."

   Das sieht auch Gerd-Holger Siebert, Landesbeauftragter für die Rettungshundearbeit des Deutschen Roten Kreuzes, so: „Wir handeln typisch deutsch und schütten das Kind mit dem Bade aus. Ich setze mich betrunken hinter das Steuer eines Porsches und fahre ein Kind tot. Wer käme auf die Idee, Porsche zu verbieten weil ein Mensch bei einem Unfall mit diesem Auto ums Leben gekommen ist?

   Buchhop versuchte deutlich zu machen, dass es keine aggressiven Hunderassen gibt: "Es gibt aber sehr wohl Menschen, die mit aggressiv gemachten Tieren Missbrauch treiben." Das bestätigte auch Wolfgang Heim, anerkannter Züchter von American Staffordshires: Was beißt, sind massenvermehrte Mischlinge. Echte Rassehunde sind sehr teuer. Deshalb haben sich Leute darauf spezialisiert, billige Vermehrung zu betreiben." Solche Vermehrer - Heim nennt sie mit Bedacht nicht Züchter - würden auch Tiere gezielt aggressiv machen, um sie besser an eine bestimmte Klientel verkaufen zu können.

   Kurt Palis, SPD-Bundestagsabgeordneter, versuchte den Hundefreunden seine Position zu erklären: "Wir Politiker sind gefordert, Vorkommnisse wie in Hamburg künftig zu verhindern. Dazu brauchen wir Maßnahmen, die pragmatisch sind. Die Politik muss Lösungen erzeugen und nicht Verständnis bei Hundefreunden wecken. Dafür zeigten die Verständnis.

   Buchhop: "Bis zum Wesenstest müssen alle Hunde an der Leine geführt werden. Aber ersparen sie den Tieren den Maulkorbzwang." Die Leinenverordnung macht den Hundefreunden absolut kein Problem: "Jeder verantwortungsvolle Hundehalter führt seinen Hund in der Öffentlichkeit ohnehin an der Leine."

   Die Politiker von SPD und CDU zeigten großes Interesse an den Äußerungen der Hundefreunde. Bodo Räke, SPD-Landtagsabgeordneter: ."Wir machen die Ohren weit auf, müssen wir uns doch auf Experten verlassen, wenn wir Entscheidungen treffen."

(Quelle: Rundschau am Sonntag, 16.07.200)