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Fasst die Hunde nicht an: Wir lieben sie

   Von Hubert Wolf WAZ DÜSSELDORF.Sie gründen Bürgerinitiativen überall, sammeln Unterschriften für ein Volksbegehren, erwägen Klagen und Einsprüche. Vor dem Landtag ballte sich der Protest gegen die neue Hundeverordnung erstmals zur Großdemo: Fasst meinen Hund nicht an!

   Als der Marsch marschiert ist und die Reden geredet sind, da klettert noch Daniela hinters Mikrofon. Daniela, die Elfjährige, möchte einen kurzen Text vorlesen: Dass die Mama oft weine, sagt sie, dass es um ihren Staffordshire-Terrier geht und dass sie das nicht versteht, weil "wir kuscheln und ich kann ihm abends im Bett immer meine Geheimnisse ins Ohr flüstern".

   Eine hingerissene Menge; ein hoch emotionaler Moment, der mit einem Mal klärt, warum diese Hundedebatte so hitzig und böse geführt wird, bis hin zu Morddrohungen und Giftködern. Weil es um Liebe geht. Anders, als würden gefährliche Sportarten eingeschränkt, Waffen verboten oder Kampfspiele. Weil es um Liebe geht.

  "Für die Hunde ist Maulkorb das Schlimmste, was man denen verpassen kann", sagt etwa Gabriele Kausche aus Leverkusen: "Sie können nicht mehr schnüffeln, hecheln oder frei spielen." "Kein Leinenzwang - mein Hund hat mein Ehrenwort" steht auf dem Plakat einer Frau. Und Regine Olschewski sagt, ihr Rottweiler gehe "jedem Streit aus dem Wege. Unsere Welt war völlig in Ordnung, das Leben hat Spaß gemacht. Das ist jetzt alles anders."

   Weil es also um Liebe geht, und weil es so viele Menschen angeht. Die sich da treffen in der Innenstadt, am Rhein entlangziehen und dann versammeln vor dem Landtag, die vielleicht 10 000 sind eigentlich ein recht guter Querschnitt der Bevölkerung. Bei einer Ausnahme: Verständnis, dass Menschen Angst vor Hunden haben können, hat hier niemand. "Die halbe Bevölkerung wird hysterisch, wenn sie etwas Größeres als einen Pudel trifft", sagt ein Mann.

   Querschnitt. Natürlich einige bierdosenselige Nachtjackengestalten, die "der Höhn eins auf die Fresse" androhen. Natürlich ein paar Fanatiker, die glauben, sie dürften wegen einer Hundeverordnung gelbe Sterne sich anstecken oder Transparente tragen "Sklaverei/Holocaust/Hundeverordnung". Und auch die Spaßfraktion ist da, mutmaßlich eher links grundiert: "Solidarisieren, mitmarschieren" rufen sie oder "Pitbull, Mastiff, Dobermann - morgen sind die Katzen dran".

   Die meisten sind doch andere. Vor der kleinen Bühne hockt Günter Beiten im Gras, der Leiter eines Essener Altenheims. Bei ihm ist "Nero", Mischling aus Mastino und Dogge. "Diese Verordnung ist ein Schnellschuss von Leuten, die keine Ahnung haben", sagt Beiten: "Gefährliche Hunde müssen Maulkorb tragen, aber man kann doch nicht alle über einen Kamm scheren." Nero zum Beispiel, das schwarze Trumm von Tier, sei "Wach- und Therapiehund: Sie müssten mal unsere Leute im Heim sehen, diese freudige Mimik, wenn sie ihn streicheln." Hinter ihm steht Ursula Bölke, Bankangestellte und Besitzerin des kleinen weißen Wuschels "Maxi": "98% der Hunde müssen doch vor Menschen geschützt werden", sagt sie; man müsse ansonsten konsequent "gefährliche Hundehalter rausziehen".

   Anhaltend braust es "Höhn muss weg, Höhn muss weg". Reden gehalten werden auch, gegen "Maulkorb- und Leinenzwang", "rassistische Listen", "faschistoide Mittel" bei gleichzeitigem "Schutz vor wirklich gefährlichen Hunden". Soso, lala, bis Daniela kommt. Die eigentlich über Liebe spricht.

(Quelle: WAZ November 2000)