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Verwaltungsgericht erklärt Hamburger Hundeverordnung für nichtig



Dem Verordnungsgeber fehlte die Kompetenz, die Hundeverordnung mit dem konkreten Inhalt zu erlassen, denn er hat die Grenzen der delegierten Normsetzungsbefugnis überschritten. § 1a Abs. 3 SOG ermächtigt zur Gefahrenabwehr. Die Regelungen in der Hundeverordnung knüpfen dagegen an einen Gefahrenverdacht an.




Verwaltungsgericht Hamburg
Urteil
Im Namen des Volkes

vom 1. September 2003



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die sich aus der Hundeverordnung (Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden und über das Halten von Hunden vom 18.07.2000, GVBl. 152) ergebenden Verpflichtungen der Kläger und Rechte der Beklagten. Die Kläger möchten die Nichtanwendbarkeit der Hundeverordnung auf sich und ihre Hunde festgestellt wissen. Sämtliche Kläger sind Halter von Hunden im Sinne von § 1 Abs. 1 der Hundeverordnung, wonach die Eigenschaft als gefährliche Hunde stets vermutet wird.

Die Klägerin zu 1) betreibt eine Hundeschule und ist Halterin eines sechsjährigen weiblichen American Pitbull Terriers mit Ahnentafel, der seit seiner Geburt bei der Familie der Klägerin zu 1) mit zwei Kindern, Katzen und anderen Hunden lebt.

Die Klägerin zu 2) ist Halterin eines achtjährigen weiblichen American Pitbull Terriers. Die Hündin ist ein eingetragener Rassehund mit Rassehund- Zuchtverbandahnentafel (RVDUCE). Der Hund wurde als Behindertenbegleithund angelernt und ausgebildet.

Die Klägerin zu 3) ist Halterin eines vierjährigen männlichen kastrierten American Pitbull Terriers.

Die Kläger zu 4) und 5) sind Halter eines englischen Staffordshire-Bullterriers weiblichen Geschlechts. Bei dem vierjährigen Tier handelt es sich um eine Zuchthündin. Es lebt zusammen mit einer fünfjährigen französischen Bulldoge.

Die Kläger zu 6) und 7) sind Halter eines weiblichen sechsjährigen American Staffordshire Terriers. Das Tier hat ein Jahr lang eine Hundeschule besucht (Gebrauchshundeverein) und ist kastriert.

Die Klägerin zu 8) ist Eigentümerin eines weiblichen American Staffordshire Terriers und Labrador-Mix. Das Tier hat kurzzeitig eine Hundeschule besucht.

Die Kläger zu 9) und 10) sind Halter eines weiblichen American Staffordshire Terriers, der seit sechs Jahren bei ihnen lebt. Das Tier verfügt über eine Ahnentafel und hat eine Hundeschule bei einer Hundetrainerin und Tierpsychologin besucht. Es ist kastriert und tätowiert.

Für alle Hunde besteht eine Hundehaftpflichtversicherung. Keiner der Hunde war bis jetzt in einen Schadensfall verwickelt. Die Kläger unterhalten ihren ersten oder zweiten Wohnsitz in Hamburg.

Der Senat der Beklagten hat die Hundeverordnung aufgrund § 1a Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vom 14.03.1966 (GVBl. S. 77), zuletzt geändert am 18.07.2001, erlassen.

Nach § 1 Abs. 1 Hundeverordnung wird bei Pit-Bulls, American Staffordshire Terriern und Staffordshire Bullterriern sowie bei deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden die Eigenschaft als gefährliche Hunde stets vermutet.

Bei Hunden der Rassen Bullmastiff, Bullterrier, Dogo Argentino, Dogue de Bordeaux, Fila Brasileiro, Mastiff, Masten Español, Mastin Napoletano, Kangal, Kaukasischer Owtscharka, Tosa Inu sowie bei Kreuzungen dieser Rassen untereinander oder mit anderen als den von Absatz 1 erfassten Hunden wird die Gefährlichkeit gemäß § 1 Abs. 2 Hundeverordnung vermutet, solange nicht der zuständigen Behörde nachgewiesen wird, dass diese Hunde keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren aufweisen.

Nach § 1 Abs. 3 Hundeverordnung kann sich die Eigenschaft eines Hundes als gefährlicher Hund unabhängig davon im Einzelfall daraus ergeben, dass er ein der Situation nicht angemessenes oder ausgeprägtes Aggressionsverhalten gegen Menschen oder Tiere zeigt.

Das Halten gefährlicher Hunde ist nach § 2 Hundeverordnung grundsätzlich verboten. Wer einen gefährlichen Hund im Sinne von § 1 Hundeverordnung halten will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Hundeverordnung). Kann durch ein Gutachten eines geeigneten Tierarztes oder Sachverständigen nachgewiesen werden, dass ein Hund im Sinne von § 1 Abs. 2 Hundeverordnung nicht gefährlich ist (Negativattest), kann der Halter gemäß § 2 Abs. 3 Hundeverordnung von der Erlaubnispflicht für diesen Hund freigestellt werden.

§ 4 Abs. 1 Satz 2 Hundeverordnung schreibt vor, dass gefährliche Hunde außerhalb eingefriedeten Besitztums sowie in Treppenhäusern, in Fluren und auf Zuwegen von Mehrfamilienhäusern anzuleinen sind und ihnen ein Maulkorb anzulegen ist, der ein Beißen verhindert. Nach § 4 Abs. 2 Hundeverordnung muss der Halter eines gefährlichen Hundes dies an jedem Zugang seines eingefriedeten Besitztums oder seiner Wohnung durch ein Warnschild mit der deutlich lesbaren Aufschrift ?Vorsicht, gefährlicher Hund!? kenntlich machen.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Hundeverordnung darf mit gefährlichen Hunden nach § 1 nicht gezüchtet werden. Der gewerbsmäßige Handel mit gefährlichen Hunden ist verboten (§ 5 Abs. 2 Hundeverordnung).

Die zuständige Behörde kann bei Verstoß gegen die Regelungen in §§ 2, 4 Hundeverordnung das Halten des Hundes untersagen und in diesem Zusammenhang die Einziehung des Hundes anordnen (§ 7 Abs. 1, 3 Hundeverordnung).
Sie kann die Tötung eines Hundes anordnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Hund auch in Zukunft eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Mensch oder Tier darstellt (§ 7 Abs. 4 Hundeverordnung).

§ 10 Abs. 1 Hundeverordnung regelt Ordnungswidrigkeiten bei Verstoß gegen die genannten Vorschriften. Nach § 10 Abs. 2 Hundeverordnung kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000,-- EUR geahndet werden.

Nach § 9 Hundeverordnung sind Ausnahmen für Diensthunde der Bundes- und Landesbehörden und Herdengebrauchshunde sowie für Jagdhunde im Rahmen weidgerechter Jagdausübung vorgesehen. Für diese Tiere gilt die Hundeverordnung nicht.

Gegen die sie als Halter von Hunden im Sinne von § 1 Abs. 1 Hundeverordnung treffenden Verpflichtungen aus § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Hundeverordnung sowie die Rechte der Beklagten aus § 7 Hundeverordnung wenden sich die Kläger mit den vorliegenden, am 11.08.2000 erhobenen Feststellungsklagen.

Die Kläger sind der Auffassung, die Feststellungsklagen seien zulässig, da der Streit um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Genehmigungspflicht zu den typischen Fallkonstellationen einer negativen Feststellungsklage zähle. Dies gelte auch dann, wenn Hintergrund der Klage die unterstellte Ungültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm sei.
Ein berechtigtes Interesse der Kläger liege vor. Die Kläger wollten klären, ob die Haltung ihrer Hunde zukünftig ausschließlich auf der Grundlage der vorgeschriebenen Erlaubnis zulässig ist. Eine Versagung der Erlaubnis sowie ein Verstoß gegen die Erlaubnispflicht seien mit schwerwiegenden Sanktionen für die Tiere verknüpft. Das Feststellungsinteresse entfalle auch nicht, wenn einzelne Kläger die Erteilung einer Erlaubnis beantragten, da diese Erlaubnis aufhebbar sei und sie zudem nicht von der aus § 4 Hundeverordnung resultierenden Maulkorb- und Leinenpflicht sowie dem Warnschildgebot befreie.

Der Zulässigkeit der Feststellungsklagen stehe auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Es sei den Klägern nicht zumutbar, zunächst gegen die Hundeverordnung zu verstoßen, um Rechtsschutz erlangen zu können.

Zur Begründetheit tragen die Kläger im Wesentlichen vor:

Die Beurteilung der Gefährlichkeit von Hunden anhand von Rassemerkmalen werde nahezu einhellig von Verhaltensforschern und Tierärzten abgelehnt. Die Rasselisten hielten einer fachwissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Zur Unterstützung ihrer Ansicht beziehen die Kläger sich auf verschiedene fachwissenschaftliche Stellungnahmen, die teilweise den klägerischen Schriftsätzen beigefügt sind. Ferner haben die Kläger den Entschließungstext der Hauptversammlung des 22. Deutschen Tierärztetages am 24. März 2000 in Würzburg,
und zwar des Arbeitskreises 3: Der ?gefährliche? Hund vorgelegt. Weiterhin ist ein im Auftrage der ?Interessengemeinschaft verantwortungsbewusster Hundehalter? erstelltes Rechtsgutachten zur Rechtmäßigkeit der Hamburgischen Hundeverordnung, verfasst vom Klägervertreter, eingereicht worden.
Auf den Inhalt vorgenannter Unterlagen wird Bezug genommen.

Die Kläger sind im Einzelnen der Ansicht, die Hundeverordnung sei unter folgenden Aspekten fehlerhaft und damit nichtig:

Die Hundeverordnung könne nicht auf § 1a SOG als Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Die Anknüpfung in der Hundeverordnung an die Rassezugehörigkeit begründe allenfalls einen Gefahrenverdacht. Ein bloßer Gefahrenverdacht rechtfertige aber ein Einschreiten der Ordnungsbehörden in Form einer Rechtsverordnung nicht, vielmehr sei dazu eine
gesetzgeberische Entscheidung notwendig gewesen. Insbesondere hätte der Gesetzgeber die Einführung etwaiger Rasselisten selbst verantworten müssen. Zudem müsse der Rechtsgrundlage der Aspekt der Gefahrenvorsorge bzw. Vorbeugung entnommen werden können, was aber bei § 1a Abs. 3 SOG nicht der Fall sei.

Weiterhin sind die Kläger der Auffassung, dass die Regelungen der Hundeverordnung dem
Grundgesetz und dem Tierschutz widersprechen:
Die rassespezifische Differenzierung der Hundeverordnung sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsetzungsprärogative des Verordnungsgebers seien keine Gründe für die Ungleichbehandlung der Hundehalter, deren Hunde § 1 Abs. 1 und 2 Hundeverordnung unterfallen, gegenüber Haltern anderer Hunde ersichtlich.

Die Prüfung der Ungleichbehandlung habe unter Rückgriff auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu erfolgen und dürfe sich nicht auf eine reine Willkürkontrolle beschränken. Die Regelungen der Hundeverordnung hätten nämlich eine mittelbare Ungleichbehandlung der Hundehalter zur Folge und tangierten deren Freiheitsrechte aus Art. 2, 12, und 14 GG. Die Halter der deutschen Gebrauchshunderassen, wie etwa Schäferhund, Dobermann und Rottweiler seien gegenüber den Haltern von Hunden im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 Hundeverordnung ungerechtfertigt privilegiert. Erwägungen der sozialen Akzeptanz von Hunderassen in der Bevölkerung seien kein zulässiger Anknüpfungspunkt für Ungleichbehandlungen.

Zudem verletzten die Regelungen nach § 7 Hundeverordnung die Eigentumsgarantie der Halter aus Art. 14 Abs. 1 GG, da die unwiderlegliche Gefährdungsvermutung in § 1 Abs. 1 Hundeverordnung und die daran geknüpften Rechtsfolgen eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellten.

Das allgemeine Zuchtverbot sowie das allgemeine Handelsverbot in § 5 Hundeverordnung verstießen gegen Art. 12 GG und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da die Gefährlichkeitsvermutung nicht widerleglich ausgestaltet sei.

Das Warnschildgebot in § 4 Abs. 2 Hundeverordnung verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, soweit Hundehalter verpflichtet seien, deren Tiere nachweislich ungefährlich seien.

Schließlich verstoße der in § 4 Abs. 1 Hundeverordnung vorgeschriebene Leinen- und Maulkorbzwang für Hunde im Sinne des § 1 Abs. 1 Hundeverordnung gegen § 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes sowie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil der Nachweis der Ungefährlichkeit des Hundes nicht möglich sei.




Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass zwischen den Klägern als Halter von Hunden im Sinne von § 1 Abs. 1 der Hundeverordnung vom 18.07.2000 sowie der Beklagten kein Rechtsverhältnis besteht, kraft dessen

1. die Kläger gegenüber der Beklagten verpflichtet sind, für die Haltung ihrer Hunde eine Erlaubnis
    im Sinne von § 2 Abs. 1 der Hundeverordnung einzuholen,

2. die Kläger gegenüber der Beklagten verpflichtet sind, ihre Hunde außerhalb ihres eingefriedeten
    Besitztums nur noch angeleint und mit Maulkorb versehen auszuführen (§ 4 Abs. 1 Satz 2
    Hundeverordnung),

3. die Kläger gegenüber der Beklagten verpflichtet sind, ein Warnschild im Sinne von § 4 Abs. 2
    Hundeverordnung anzubringen,

4. die Beklagte berechtigt ist, das Halten eines Hundes im Sinne von § 1 Abs. 1 Hundeverordnung
    zu untersagen und dessen Einziehung anzuordnen (§ 7 Abs.1, 3 Hundeverordnung), falls die
    Kläger gegen die Pflichten aus § 4 Hundeverordnung verstoßen,

5. es den Klägern zu 1) und 4) als Halter eines Hundes im Sinne von § 1 Abs. 1 Hundeverordnung
    untersagt ist, mit ihrem Hund zu züchten.




Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Feststellungsklagen seien bereits unzulässig. Der Sache nach handele es sich um Normenkontrollklagen nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Da der Landesgesetzgeber aber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, dürfe diese Entscheidung nicht durch die Erhebung von Feststellungsklagen umgangen werden. Es bestehe auch kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage müssten die Kläger grundsätzlich mit der Gestaltungs- und Leistungsklage gegen Rechtsverletzungen vorgehen.

In materieller Hinsicht trägt die Beklagte im Wesentlichen vor:

Die Hundeverordnung sei von § 1a Abs. 3 SOG als Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Der Hamburgische Gesetzgeber habe eine detaillierte Regelung erlassen, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sei. Insofern sei die Rechtslage hier nicht mit den Fällen der Hundeverordnungen anderer Bundesländer zu vergleichen, die lediglich auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel erlassen worden seien.

Der Gesetzgeber habe zu Recht den Verordnungsgeber ermächtigt, die Gefährlichkeit von Hunden anhand der Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen zu konkretisieren (§ 1 a Abs. 3 Nr. 1 SOG). Vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums sei die Anknüpfung an rassespezifische Merkmale nicht als ungeeignet anzusehen, um den gesetzlichen Schutzzweck zu erreichen. Denn wie sich aus mehreren, den Schriftsätzen der Beklagten teilweise beigefügten wissenschaftlichen Arbeiten ergebe, hänge die Aggressivität eines Hundes zwar nicht nur, aber zumindest auch von der besonderen genetischen Disposition eines Hundes ab.

Die Regelungen in der Hundeverordnung verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht:
Die Differenzierung zwischen den Hunden nach § 1 Abs. 1 Hundeverordnung mit unwiderleglicher
Gefährlichkeitsvermutung, den Hunden nach § 1 Abs. 2 Hundeverordnung mit widerleglicher Gefährlichkeitsvermutung und den übrigen Hunden nach § 1 Abs. 3 Hundeverordnung sei nach Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Die Hunderassen und Kreuzungen nach § 1 Abs. 1 Hundeverordnung seien nach fachwissenschaftlich hinreichend verlässlichen Aussagen dadurch gekennzeichnet, dass sie auf eine wesentliche Steigerung der Aggressivität und Kampfkraft hingezüchtet werden und daher wegen ihrer weiter hinzutretenden Eigenschaften wie etwa Größe, Sprungkraft, Muskelkraft und Gebiss ganz besonders gefährlich seien.

Die Regelungen nach § 7 Abs. 1, 3 Hundeverordnung verstießen nicht gegen das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG, denn es handele sich lediglich um einen Ausfluss der Sozialbindung des Eigentums im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 und 2 GG.

Ebenso wenig sei in den Regelungen der Hundeverordnung ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere gegen das Rückwirkungsverbot zu erblicken. Zwar erfasse die Hundeverordnung auch Hunde, die vor ihrem In-Kraft-Treten angeschafft wurden. Es handele sich aber um einen Fall der unechten Rückwirkung, da die Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirke und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwerte. Die unechte Rückwirkung sei grundsätzlich zulässig. Eine Ausnahme liege hier nicht vor.

Schließlich sei auch kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz gegeben, da der Leinen- und Maulkorbzwang den Hunden weder Schmerzen noch Leiden im Sinne des § 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz zufüge.

Die Kläger zu 2) und 8) zogen nach Klagerhebung aus Hamburg fort und sind nicht mehr daran interessiert, ihre Hunde in Hamburg zu halten. Sie haben deshalb den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) Bezug genommen.




Entscheidungsgründe


I.

Das Verfahren hinsichtlich der Kläger zu 2) und zu 8) ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzustellen, nachdem sie und die Beklagte den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

II.

Soweit die Kläger ihre Klagen aufrechterhalten, haben sie Erfolg.

1.   Die Klage ist als (negative) Feststellungsklage zulässig.

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden.

Als Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO werden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (BVerwG, Urt. v. 26.01.1996, BVerwGE 100 S. 262, 264 m.w.N.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 11 m.w.N.). Rechtliche Beziehungen haben sich nach Auffassung der Rechtsprechung dabei nur dann zu einem Rechtsverhältnis entwickelt, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urt. v. 26.1.1996, BVerwGE 100 S. 262, 265 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn die Parteien streiten darüber, ob die Kläger als Halter von American Pitbull Terriern, Staffordshire Bullterriern und American Staffordshire Terriern verpflichtet sind, den Vorschriften der §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 2, 4 Abs. 2, 7 Abs. 1, 3 Hundeverordnung nachzukommen.

Die Feststellungsklagen sind auch nicht unzulässig, weil ihr Erfolg davon abhängt, ob die genannten Regelungen der Hundeverordnung rechtsgültig sind. Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch die Feststellungsklage unter Umgehung der Voraussetzungen des § 47 VwGO lediglich die Klärung abstrakter Rechtsfragen erreicht werden soll (BVerwG, Urt. v. 09.12.1982, NJW 1983, 2208). Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob die Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO landesgesetzlich zugelassen ist oder nicht, wie es in Hamburg der Fall ist (Schmitt-Gläser, Verwaltungsprozessrecht, 14. Auflage, Rn. 331, vgl. BVerwG, Urt. v. 09.12.1982, NJW 1983, 2208). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 09.12.1982, a.a.O.) hat dazu ausgeführt:

"An der Zulässigkeit der Feststellungsklage ändert (...) nichts, dass die Entscheidung des Rechtsstreits allein davon abhängt, ob die (...)Verordnung rechtsgültig ist. Die Klage wird dadurch nicht zu einer für diesen Bereich nach Landesrecht nicht vorgesehenen Normenkontrollklage nach § 47 VwGO. Richtig ist zwar, dass dort, wo das Gesetz eine Nachprüfung landesrechtlicher Bestimmungen im Wege der Normenkontrolle nicht zulässt, Klagebegehren, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, die Rechtmäßigkeit einer Norm zum eigentlichen Gegenstand eines Verwaltungsstreitverfahrens zu machen, unzulässig sind, gleichviel in welche Form sie gekleidet werden (BVerwG, Buchholz 11 Art. 19 GG Nr. 36; 310 § 42 VwGO Nr. 56). Darum geht es hier jedoch nicht. Der Umstand allein, dass die zu treffende Entscheidung die Überprüfung einer Norm erfordert und in diesem Bereich konkreter Normenkontrolle ihr eigentlicher Zweck liegt, macht die Klage nicht unzulässig. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht etwa entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört seit jeher zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Daran hat sich durch die Zulassung der abstrakten Normenkontrolle in den Fällen des § 47 VwGO nichts geändert (vgl. hierzu u. a. BVerwGE 58, 299 (301); Kopp, § 47 Rdnr. 5
m.w.N.). Maßgebend ist, ob mit der Klage lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines solchen Sachverhalts erreicht werden soll, dessen Eintritt noch ungewiss ist. In einem solchen Falle dient der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Parteien, sondern dazu, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen rechtstheoretisch zu lösen (BVerwGE 14, 235 (236) = NJW 1962, 1690). Anders liegt es hingegen, wenn, wie auch hier, die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist. Der Feststellung eines solchen Rechtsverhältnisses steht nicht entgegen, dass der Erfolg der Klage ausschließlich von der von den Parteien unterschiedlich beurteilten Rechtsgültigkeit einer Norm abhängt. Damit wird nicht etwa ein über das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO hinausgehender Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Rechtsetzung begehrt, sondern die Rechtmäßigkeit der Norm lediglich als streitentscheidende Vorfrage aufgeworfen."

Diese Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst (Urt. v. 28.6.2000, NJW 2000 S. 3584) nochmals bestätigt:

"§ 47 VwGO entfaltet gegenüber dem Rechtsschutzbegehren des Klägers keine Sperrwirkung. Wie das BVerwG bereits entschieden hat, kann dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll (BVerwG, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78 = NJW 1983, 2208 = NVwZ 1983, 609 L). Es gehört seit jeher zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Daran hat sich durch die Zulassung der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle in den Fällen des § 47 VwGO, durch die die Möglichkeiten des subjektiven Rechtsschutzes nicht beschnitten werden sollten (zutr. Wysk, ZLW 1998, 285 [286 f.]), nichts geändert. Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist eine solche Klagemöglichkeit insbesondere dann unerlässlich, wenn die Norm der Umsetzung durch einen Vollzugsakt nicht bedarf. Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann deswegen nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage auf Grund eines nur erdachten oder eines solchen Sachverhalts erreicht werden soll, dessen Eintritt noch ungewiss ist; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen rechtstheoretisch zu lösen (BVerwG, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78 = NJW 1983, 2208 = NVwZ 1983, 609 L m.w.N.). Anders liegt es dagegen, wenn (...) die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm lediglich als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird."

Entsprechend dieser Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Entscheidungen eine Feststellungsklage zugelassen, wenn die Klage mit der Ungültigkeit der zugrunde liegenden Norm begründet wurde, aber ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem betraf: So etwa bei einer Klage einer Gemeinde gegen einen Wasserverband auf Feststellung, dass sie mangels Wirksamkeit der Gründung und der Satzung nicht Mitglied sei (BVerwGE 25 S. 151, 155 f.); bei einer Klage auf Feststellung, entgegen einer nichtigen Verordnung zum Wasserskifahren auf der Lahn berechtigt zu sein (BverwGE 26 S. 251, 253); bei der auf Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift des Bundeswahlgesetzes gestützten Klage eines EG-Beamten auf Feststellung, er sei ins Wählerverzeichnis für die Bundestagswahl aufzunehmen (BVerwGE 51 S. 69, 75 f.) oder bei der Klage eines Apothekers auf Feststellung, er sei wegen Nichtigkeit der entsprechenden Vorschrift der Berufsordnung berechtigt, Muster von Arzneimitteln kostenlos abzugeben (BVerwG, NJW 1984 S. 677).

Nach diesen Maßstäben ist die Klage als Feststellungsklage statthaft. Denn Ziel der Kläger ist es nicht, die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Hundeverordnung abstrakt feststellen zu lassen. Die begehrte Feststellung bezieht sich auf ein konkretes Rechtsverhältnis, denn den Klägern geht darum, ob sie aus der Rechtsnorm, deren Gültigkeit sie bezweifeln, verpflichtet werden können (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 24. 11. 1992, Az.: 17 VG 2854/92).

Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse, dass das Nichtbestehen der Rechtsverhältnisse festgestellt wird. Solange eine Klärung nicht erfolgt ist, können die Kläger entweder ein Recht, das ihnen ihrer Meinung nach zusteht, nicht ausüben oder sie setzen sich der Gefahr aus, dass gegen sie wegen Verstoßes gegen die Hundeverordnung eine Geldbuße nach § 10 Abs. 2 Hundeverordnung verhängt wird (BVerwG, Urt. v. 17.01.1972 in BVerwGE 39, 249). Die Geldbuße kann je nach Schwere des Verstoßes bis zu 50.000,-- EUR betragen.

Die Feststellungsklage ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär. Die Feststellungsklage ist ausgeschlossen, wenn der Kläger den damit verfolgten Zweck mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage erreichen kann oder hätte erreichen können. Dieser Ausschluss gilt jedoch nur, wenn der Rechtsschutz durch diese Klagen für den Kläger in gleichem Umfang wie bei der Feststellungsklage verwirklicht würde (Redeker / v. Oertzen, VwGO, 13. Auflage, § 43 Rn. 25). Hier können die Kläger aber nicht darauf verwiesen werden, bei der Beklagten die Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 S. 2 Hundeverordnung zu beantragen und notfalls mit der Verpflichtungsklage geltend zu machen. In diesem Rahmen würde nämlich das Rechtsverhältnis, an dessen Feststellung die Kläger ein berechtigtes Interesse haben, als bloße Vorfrage mitentschieden (BVerwG, Urt. v. 29.04.1997, NJW 1997, 2535). Dies entspricht nicht dem klägerischen Begehren, da diese die Haltung ihrer Hunde gerade als erlaubnisfrei ansehen (BVerwG, Urt. v. 26.06.1974, DVBl. 1974, 681; VG Hamburg, Urt. v. 24.11.1992, Az.: 17 VG 2854/92).

Die in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.06.2000, NJW 2000 S. 3584, 3584) zu fordernde Klagbefugnis steht den Klägern zur Seite, da sie an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt sind.



2. Die Klage ist auch begründet.

Die streitgegenständlichen Rechtsverhältnisse bestehen nicht. Die Hundeverordnung vom 18.07.2000 (GVBl. S. 152) ist wegen Überschreitens der Ermächtigungsgrundlage nichtig. Zwar erfüllt § 1a Abs. 3 SOG die Anforderungen von Art. 53 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV), wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der übertragenen Rechtssetzungsbefugnisse in der Ermächtigung bestimmt sein müssen (2.1). Die Ermächtigungsgrundlage selbst verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht (2.2). § 1a Abs. 3 SOG ermächtigt aber nur zur Abwehr abstrakter Gefahren, während die Maßnahmen nach der Hundeverordnung bereits an einen Gefahrenverdacht anknüpfen (2.3). Überdies ist fraglich, ob die konkrete Ausgestaltung der Hundeverordnung mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren wäre.

2.1  Die Anforderungen von Art. 53 Abs. 1 Satz 2 HV an das ermächtigende Gesetz sind gewahrt. Das Bestimmtheitsgebot in Art. 53 Abs. 1 Satz 2 HV, der Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht, zielt darauf ab, dass die ermächtigende Vorschrift so genau gefasst wird, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.

Das Parlament soll sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen der übertragenen Befugnisse überdacht und nach Tendenz und Programm hinreichend umrissen zu haben. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit stellt die notwendige Ergänzung und Konkretisierung des aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatzes vom Gesetzesvorbehalt dar (Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 1 GG). Welcher Grad an Bestimmtheit in der Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist, hängt von dem jeweiligen Regelungsgegenstand, insbesondere seiner Grundrechtsrelevanz, ab (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier-VO, DVBl. 2002, 1563).

Art. 1a Abs. 3 SOG ist so formuliert, dass der Bürger ersehen kann, wie von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen möglichen Inhalt die darauf erlassene Verordnung haben kann. Der Ermächtigung ist zu entnehmen, dass in der Verordnung die Erlaubnispflicht nach § 1a Abs. 1 SOG für Hunde bestimmter Rassen, Kreuzungen und sonstiger Gruppen festgelegt werden kann (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 SOG). Aus § 1 a Abs. 3 Nr. 2 bis 5 SOG ergibt sich für den Normadressaten weiterhin, dass Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung geregelt werden können, sowie dass Zucht, Ausbildung, Haltung, Kennzeichnung sowie auch Einziehung und Tötung der Hunde reglementiert werden können.

2.2   Die Ermächtigungsgrundlage verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Insbesondere stellt § 1a Abs. 3 Nr. 1 SOG, wonach der Verordnungsgeber Rasselisten erstellen darf und die Gefährlichkeit der dort aufgezählten Hunde vermutet wird, keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Die Ermächtigungsgrundlage ist insoweit offen gehalten. Ein Grundrechtsverstoß kann sich nur aus der konkreten Zusammenstellung der Liste ergeben, und zwar dann, wenn die aufgezählten Hunde nicht nach zulässigen Differenzierungskriterien ausgewählt werden. Als zulässige Differenzierungskriterien kommen etwa Größe, Beißkraft und statistische Auffälligkeit von Hunden in Betracht (vgl. zu den Differenzierungskriterien VGH Mannheim, Urt. v. 18.08.1992, NVwZ 1992, 1105; VG Hamburg, Urt. v. 24.11.1992, Az.: 17 VG 2854/92; VGH Kassel, Urt. v. 29.08.2001, Az.: 11 N 2497/00).

2.3   Die Rechtsverordnung ist aber ungültig, weil sie sich nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage hält. Dem Verordnungsgeber fehlte die Kompetenz, die Hundeverordnung mit dem konkreten Inhalt zu erlassen, denn er hat die Grenzen der delegierten Normsetzungsbefugnis überschritten. § 1a Abs. 3 SOG ermächtigt zur Gefahrenabwehr (b)). Die Regelungen in der Hundeverordnung knüpfen dagegen an einen Gefahrenverdacht an (a)). Eine ermächtigungskonforme Auslegung der Hundeverordnung ist nicht möglich (c)).

a)   Die streitentscheidenden Regelungen in der Hundeverordnung sind der Gefahrenvorsorge zuzurechnen.
In § 1 Abs. 1 Hundeverordnung werden drei Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden unwiderleglich als gefährlich eingestuft. An diese Einordnung werden in der Hundeverordnung zwingende Rechtsfolgen für den Halter der betroffenen Hunde geknüpft.
Zu den vergleichbaren Regelungen in der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung (GefTVO vom 05.07.2000, Nds.GVBl. S. 149) und der Schleswig-Holsteinischen Gefahrhunde-Verordnung (GefHVO vom 28.06.2000, GVOBl. Schl.-H. 2000, S. 533, ber. S. 549) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, diese Regelungen beruhten zu Unrecht auf der Annahme, dass von bestimmten Hunden allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen, Gruppen oder deren Kreuzungen eine abstrakte Gefahr ausginge (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002, DVBl. 2002, 1563; Urt. v. 18.12.2002 - 6 CN 1.02 ?, UA S. 12). Die Anknüpfung an die Rasse, an die Gruppe etc. reicht aber nicht aus, um bei einem einzelnen Hund das Vorliegen einer abstrakten Gefahr zu bejahen. Es fehlt nämlich an dem Merkmal der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als maßgeblichem Kriterium des Gefahrenbegriffs. Nach dem in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Begriffsverständnis handelt es sich bei der Gefahr um eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird (Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Auflage, Rn. 46 m.w.N., Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., 2001, Rn. 140).
Ohne das Merkmal der hinreichenden Wahrscheinlichkeit liegt weder eine konkrete noch eine abstrakte Gefahr vor. Diese Gefahrentypen unterscheiden sich nämlich voneinander nicht durch den Grad der Vorhersehbarkeit desSchadenseintritts, sondern nur durch den Bezugspunkt der Gefahrenvorhersage: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem nach Ort und Zeit individualisierten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann (BVerwG, Urt. v. 13. 12. 1967 in BverwGE 28, 310, 315). Unter einer abstrakten Gefahr versteht man dagegen einen gedachten Sachverhalt, bei dem typischerweise aufgrund der Lebenserfahrung oder naturwissenschaftlicher Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden für die geschützten Rechtsgüter gerechnet werden muss (BVerwG, Urt. v. 26.06.1970, DÖV 1970, 714). Die Abwehr abstrakter Gefahren erfolgt mittels Rechtssatz (Gesetz oder Rechtsverordnung), sodass die betreffende Handlung oder der Zustand generell verboten werden können und die Gefahr des Schadenseintritts im Einzelfall nicht nachgewiesen werden muss (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier-VO, DVBl. 2002, 1564).

Zwingend erforderlich ist jedoch für die Feststellung einer abstrakten Gefahr, dass die Prognose des Schadenseintritts in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesichert ist. Bei abstraktgenereller Betrachtung müssen hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier-VO, DVBl. 2002, 1564).
Dies bedeutet naturgemäß nicht, dass der bevorstehende Schadenseintritt mit absoluter Gewissheit feststehen muss, denn die polizeiliche Beurteilung wird ex-ante getroffen. Es liegt im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können.
Davon zu unterscheiden ist die Ungewissheit, die bereits die Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Das Unsicherheitsmoment liegt hier schon im vorgelagerten tatsächlichen Bereich, denn es kann nicht hinreichend sicher festgestellt werden, ob Tatsachen vorliegen, aus denen sich bei ungestörtem weiteren Ablauf demnächst ein Schaden ergeben kann (Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Auflage, Rn. 52). Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht imstande, so liegt gerade keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht vor (BVerwG, Urteil zur Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung vom 18.12.2002 ? Az.: 6 CN 3.01 ? , UA S. 9; Urteil zur Schleswig-Holsteinischen Gefahrhunde-VO vom 18.12.2002, UA S. 16 f., Urteil zur Niedersächsichen Gefahrtier-VO vom 03.07.2002, DVBl. 2002, 1563 f.).
Das BVerwG erklärt dazu:

"Aus der Zugehörigkeit zu einer Rasse, einem Typ oder gar einer entsprechenden Kreuzung allein lässt sich aber nach dem Erkenntnisstand der Fachwissenschaft nicht ableiten, dass von den Hundeindividuen Gefahren ausgehen. Zwar besteht der Verdacht, dass Hunde der in Rede stehenden Rassen bzw. des in Rede stehenden Typs ein genetisch bedingtes übersteigertes Aggressionsverhalten aufweisen. Es ist jedoch in der Wissenschaft umstritten, welche Bedeutung diesem Faktor neben zahlreichen anderen Ursachen - Erziehung und Ausbildung des Hundes, Sachkunde und Eignung des Halters sowie situative Einflüsse - für die Auslösung aggressiven Verhaltens zukommt. Insbesondere liegen weder aussagekräftige Statistiken oder sonstiges belastbares Erfahrungswissen noch genetische Untersuchungen vor."
(BVerwG, Urteil zur Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung vom 18. 12.2002, UA S. 12; Urteil zur niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung, DVBl. 2002, 1565; Urteil zur Schleswig-Holsteinischen Gefahrhunde-Verordnung vom 18.12.2002, UA S. 19)."

Der Unterschied zwischen Gefahr und Gefahrenverdacht muss auch dann gewahrt bleiben, wenn wegen der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden können. Insofern gilt zwar der Grundsatz, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso größer sein muss, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist und dass sie umso kleiner sein darf, je schwerer der etwa eintretende Schaden wiegt (BVerwG, Urt. v. 02.07.1991 in BVerwGE 88, 348, 351). Diese Abstufung kann aber erst dann Anwendung finden, wenn überhaupt eine gesicherte Tatsachengrundlage besteht, nach der auf einen Schadenseintritt geschlossen werden kann, nicht aber, wenn - wie im hier vorliegenden Fall - wegen Erkenntnislücken lediglich ein Gefahrenverdacht besteht (BVerwG, Urteil zur Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung vom 18.12.2002, UA S. 12; Urteil zur Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung, DVBl. 2002, 1565; Urteil zur Schleswig-Holsteinischen Gefahrhunde-Verordnung vom 18.12.2002, UA S. 19).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur erhöhten Besteuerung von so genannten Kampfhunden (Urt. v. 19.01.2000, DVBl. 2000, 918). Im zugrunde liegenden Fall hatte die beklagte Gemeinde in einer Hundesteuersatzung bestimmte Hunde unwiderleglich als Kampfhunde eingestuft und deren Haltung mit einem achtfach höheren Steuersatz belegt. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Regelung für rechtmäßig. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts verfolgte die Beklagte mit dem Steuertatbestand nicht primär polizeiliche Zwecke der Gefahrenabwehr, sodass es auf das Vorliegen einer abstrakten Gefahr nicht ankam. Das Lenkungsziel des Steuersatzes habe vielmehr darin gelegen, im Gemeindegebiet solche Hunde zurückzudrängen, die aufgrund bestimmter Züchtungsmerkmale eine ?potenzielle Gefährlichkeit? aufwiesen, welche sich erst bei Hinzutreten anderer Faktoren in eine abstrakte Gefahr wandle.

b)   § 1a Abs. 3 SOG ermächtigt nur zur Abwehr abstrakter Gefahren. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift hinter § 1 SOG als der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Polizeiverordnungen. Nach beiden Vorschriften, deren Überschrift im Ersten Teil des SOG lautet:
"Verordnungen zur Gefahrenabwehr", sollen durch die Rechtsverordnungen Gefahren bekämpft werden. Während nach § 1 Abs. 1 SOG unbenannte Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgewehrt werden sollen, dient § 1a Abs. 3 SOG der Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum, die von gefährlichen und anderen Hunden ausgehen. Der Gesetzgeber hat sich aber nicht für eine Absenkung der Gefahrenschwelle von der "Gefahrenabwehr" zur "Vorsorge" oder "Vorbeugung" entschieden, wie dies etwa in §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImschG, § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG der Fall ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier- Verordnung, DVBl. 2002, 1564; Urt. v. 18.12.2002 zur Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung, UA S. 10; Urt. v. 18.12.2002 zur Schleswig-Holsteinischen Gefahrhunde-Verordnung, UA S. 18). Ein dahingehender Wille lässt sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. In der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 28.06.2000 "Dringlicher Antrag: Schutz vor gefährlichen Hunden" (Drucksache 16/4464, S. 2) heißt es lediglich: "Aufgrund der weitgehenden restriktiven Regelungen erscheint es angeraten, eine spezielle Verordnungsermächtigung für die Hundeverordnung im SOG zu schaffen."
Die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der polizeirechtlichen Verordnungsermächtigungen wäre aber in Frage gestellt, wenn die Exekutive auf Grundlage einer Vorschrift, die zur Abwehr abstrakter Gefahren ermächtigt, bereits einen Gefahrenverdacht zum Anlass für generelle Freiheitseinschränkungen nimmt. Hier wäre es Sache des Gesetzgebers gewesen, darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch hinreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung, DVBl. 2002, 1564; Urt. v. 18.12.2002 zur Schleswig-Holsteinischen Gefahrhunde-Verordnung, UA S. 17, Urt. v. 18.12.2002 zur Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung, UA S. 10).

c)   Die Hundeverordnung kann auch nicht ermächtigungskonform ausgelegt werden, damit sie sich in den Grenzen der Ermächtigungsgrundlage hält. Das Regelungskonzept der Hundeverordnung knüpft bei der Einstufung der Hunde als gefährlich an deren Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen, Gruppen und Kreuzungen an, also an einen Gefahrenverdacht. Dem Gericht ist es verwehrt, diese Beurteilungskriterien auszutauschen, um der Hundeverordnung das Ziel der abstrakten Gefahrenabwehr zugrundelegen zu können (aa)).
Die Eingriffsbefugnisse der Hundeverordnung dienen auch nicht lediglich der Gefahrerforschung. Unter diesem Aspekt hat das Bundesverwaltungsgericht die Mecklenburg-Vorpommerische Hunde-Verordnung an das OVG Mecklenburg-Vorpommern zurückverwiesen. Eine solche Auslegung kommt hier aber wegen der inhaltlichen Unterschiede der beiden Verordnungen nicht in Betracht (bb)).

aa)  Der Inhalt der Hundeverordnung kann nicht so ausgelegt werden, dass mit ihr Zwecke der abstrakten Gefahrenabwehr verfolgt werden. Der Bereich zulässiger Normauslegung ist nämlich verlassen, wenn die Interpretation der Verordnung zu einer wesentlichen Inhaltsänderung führt. Das Gericht greift dann in die Rechtssetzungskompetenz des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers ein (von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 143).
Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass das Gericht an das der Verordnung zugrunde liegende Regelungskonzept gebunden ist und dieses nicht durch ein anderes Konzept ersetzen darf (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung, DVBl. 2002, 1565).

Es kann daher nicht unterstellt werden, die Hundeverordnung knüpfe an Gefahren an, die aus der allgemeinen Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens oder aus der Haltung von Hunden bestimmter Größe und Beißkraft resultieren. Dass von Hunden mit diesen Eigenschaften tatsächlich abstrakte Gefahren ausgehen, ist hier nicht entscheidend. (vgl. BVerwG, Urteil zur Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung, DVBl. 2002, 1565). § 1 Abs. 1 Hundeverordnung zählt die betroffenen Hunde nämlich nicht deshalb auf, weil sie wegen typischer Merkmale wie Größe oder Beißkraft gefährlich sind, sondern knüpft allein an ihre genetische Herkunft an. Der Beitrag der genetischen Herkunft zur Gefährlichkeit eines einzelnen Hundes ist aber ungeklärt (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung, DVBl. 2002, 1565 sowie das Urt. v. 18.12.2002 zur Schleswig-Holsteinischen Gefahrhunde-Verordnung, UA S. 18 f.).
Ebenso wenig können § 1 Abs. 1, 2 Hundeverordnung als Unterfall der Regelung von § 1 Abs. 3 Hundeverordnung angesehen werden. Nach § 1 Abs. 3 Hundeverordnung kann sich im Einzelfall die Eigenschaft als gefährlicher Hund aus nicht angemessenem oder ausgeprägtem Aggressionsverhalten ergeben. Diese Regelung bezieht sich auf ein individuelles Tierverhalten unabhängig von der Rasse. § 1 Abs. 1, 2 Hundeverordnung knüpfen dagegen umgekehrt die Gefährlichkeit allein an die Rassezugehörigkeit unabhängig von dem tatsächlichen Verhalten des einzelnen Tieres.

bb)   Die Regelungen der Hundeverordnung können nicht ? wie dies möglicherweise bei der Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung der Fall ist ? als Instrumente der Gefahrerforschung angesehen werden. Die Mecklenburg-Vorpommerische Hunde-Verordnung (vom 04.07.2000, GVOBl M-V, 295, ber. 391) erging auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel (§ 17 Abs. 1 Sicherheits- und Ordnungsgesetz M-V in der Fassung vom 25.03.1998, GVOBl. M-V, S. 335). Nach dem Urteil des BVerwG ist die Aufzählung bestimmter Hunderassen in der Liste des § 2 Abs. 3 Hunde-Verordnung und ihre Einstufung als gefährlich keine Maßnahme zur Abwehr abstrakter Gefahren, da insoweit nur ein Gefahrenverdacht besteht. Gleichwohl hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern im Wege der Zurückverweisung zu
prüfen, ob die Rasseliste in § 2 Abs. 3 Satz 1 Hunde-Verordnung als Regelung zur Gefahrerforschung ausgelegt werden kann und deshalb Bestand hat. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Hunde-Verordnung wird die Eigenschaft der von der Rangliste erfassten Hunde als gefährliche Hunde vermutet. Dabei handelt es sich aber in Bezug auf sämtliche Hunderassen um eine widerlegliche Vermutung. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Hunde-Verordnung kann der Hundehalter der Ordnungsbehörde durch eine tierärztliche Bescheinigung nachweisen, dass sein Hund nicht die befürchtete Aggressivität besitzt.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts könnte diese Regelung möglicherweise als Gefahrerforschungsmaßnahme ausgelegt werden. Sie ähnele nämlich im Ergebnis einer dem Hundehalter durch Verordnung auferlegten Verpflichtung, seinen Hund zwecks Erforschung eines bestehenden Gefahrenverdachts beim Tierarzt vorzuführen, welche von der Behörde nötigenfalls im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt wird (BVerwG, Urt. v. 18.12.2002 zur Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung, UA S. 13 ff.). In diesem Fall sei die Regelung nicht mangels Ermächtigungsgrundlage nichtig, denn Maßnahmen der Gefahrerforschung könnten durchaus auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden (BVerwG, Urt. v. 18.12.2002 zur Mecklenburg-Vorpommerischen Hunde-Verordnung, UA S. 15; Urt. v. 03.07.2002 zur Niedersächsischen Gefahrtier-VO, DVBl. 2002, 1566). Der Gefahrerforschungseingriff ergeht als vorläufige Maßnahme für den Fall des Vorliegens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Di Fabio, DÖV 1991, 629, 631 ff.). Die Kompetenz zum Gefahrforschungseingriff ist im Anschluss an die Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Bd. 77, 333 (338 f.) der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalermächtigung sinngemäß zu entnehmen (Götz, a.a.O. Rn. 155).

Eine Auslegung der Hundeverordnung als Gefahrermittlungsprogramm scheitert aber an der unterschiedlichen Ausgestaltung der Gefährlichkeitsvermutung. In der Mecklenburg- Vorpommerischen Hunde-Verordnung ist die Gefährlichkeit der in den Rasselisten aufgeführten Hunde durchgängig nur als widerlegliche Vermutung formuliert. Die Hundeverordnung unterscheidet hingegen nach Hunden in § 1 Abs. 1, bei denen die Gefährlichkeit "stets vermutet" wird und Hunden nach § 1 Abs. 2 Hundeverordnung. Nur bei diesen Hunden kann der Halter die vermutete Gefährlichkeit durch einen Negativattest (§ 2 Abs. 3 Hundeverordnung) widerlegen. Die Hundehalter der in § 1 Abs. 1 Hundeverordnung aufgezählten Hunde können die Ungefährlichkeit nicht nachweisen, sodass insoweit der Ansatzpunkt für den Gefahrerforschungscharakter entfällt.

3.   Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass das Regelungsziel des Gesetz- und Verordnungsgebers auch nach dieser Entscheidung durchaus erreichbar ist. Der Gesetzgeber wird aber ? soll es bei der unwiderleglichen Vermutung bleiben ? den Gedanken der Gefahrvorsorge im Gesetz zum Ausdruck bringen müssen. Der Verordnungsgeber würde überdies zu bedenken haben, ob die Rasseliste des § 1 Abs. 1 Hundeverordnung den Anforderungen genügt, die der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG stellt (vgl. insoweit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. GG annehmend etwa OVG Bremen, Urt. v. 06.10.1992, DÖV 1993, 576; VGH Mannheim, Urt. v. 18.08.1992, NVwZ 1992, 1105; VGH Mannheim, Urt. v. 26.04.1999, Az.: 1 S 2214/98; OVG Schleswig, Urt. v. 29.05.2001, NVwZ 2001, 1300).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 161 Abs. 2 VwGO. Dabei entspricht es billigem Ermessen, der Beklagten auch die Verfahrenskosten hinsichtlich der Kläger zu 2) und zu 8) aufzuerlegen, denn die Beklagte wäre ? und ist ? in der Hauptsache unterlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Die Berufung ist gemäß § 124 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und weicht von einer Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 11.12.2000 - 2 Bs 311/00 ?) (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO) ab.




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