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Wesenstests im Rahmen der Gefahrenabwehr aber auch im Rahmen populationsgenetischer Studien stellen im epidemiologischen Sinn Screening-Untersuchungen dar, müssen daher auch die an  Screeninguntersuchungen  gestellten Anforderungen erfüllen.

Anforderungen an Screening Testverfahren nach BEAGLEHOLE et al., (1997):

     1.) Kostengünstig

     2.) Leicht durchführbar

     3.) Akzeptabel für die Öffentlichkeit

     4.) Standardisierte Untersuchungsbedingungen

     5.) Zuverlässig 

     6.) Gültig

Insbesondere die Zuverlässigkeit und die Gültigkeit sind für ein Testverfahren, bei dem sich aus Bestehen oder Nichtbestehen derartig schwerwiegende Konsequenzen ergeben, wie beim Wesenstest für Hunde im Rahmen der Gefahrenabwehr, eine unverzichtbare Voraussetzung für die Berechtigung der Durchführung.

Zuverlässigkeit:  Der Maßstab für die Zuverlässigkeit eines Testverfahrens ist seine Wiederholbarkeit – ein Maß dafür, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Wiederholung  einer Beurteilung durch den gleichen Prüfer bzw. einen anderen Prüfer das selbe Prüfergebnis bringt. Als statistische Prüfverfahren für die Beurteilung der Wiederholbarkeit eignen sich Assoziationsmaße aus dem Bereich der Chi2-Statistik bzw. der Rangkorrelationskoeffzient nach Spearman.

Gültigkeit: Für die Gültigkeit eines Testverfahrens gibt es verschiedene Parameter, die bei einem bereits  validierten Testverfahren auch als Qualitätskontrolle für einzelne Prüfer geeignet sind.
    
     Sensitivität (Empfindlichkeit): ist der Anteil als krank erkannter Individuen unter den
     tatsächlich kranken

     Spezifität: ist der Anteil als gesund erkannter Individuen unter den tatsächlich gesunden

     Diagnostische Effizienz: ist der  Anteil richtig krank erkannter plus richtig gesund erkannter
     an allen Untersuchten

(im Sinne eines Wesenstests im Rahmen der Gefahrenabwehr wäre das Wort „krank“ allenfalls durch das Wort  „gefährlich“ zu ersetzen)

Sensitivität und Spezifität von diagnostischen Testverfahren sind gegenläufig, d.h. bei hoher Sensitivität  ist die Spezifität geringer, bei hoher Spezifität ist die Sensitivität geringer. Zur Beurteilung ob ein Testverfahren über adäquate Sensitivität bzw. Spezifität verfügt, ist es wichtig, die Konsequenzen falsch positiver bzw. falsch negativer Befundung richtig einzuschätzen.
In Hinblick auf ungünstige Konsequenzen falsch negativer Befundung (gefährlicher Hund wird nicht als gefährlich erkannt) ist der Sensitivität  des Tests besonderes Augenmerk zuzuordnen (ein möglichst hoher Anteil der tatsächlich gefährlichen Hunde sollte als gefährlich erkannt werden).
In Hinblick auf ungünstige Konsequenzen falsch positiver Befundung  (ungefährlicher Hund wird als  gefährlich eingestuft) ist der Spezifität des Tests  besonderes Augenmerk zuzuordnen (ein möglichst hoher Anteil der nicht gefährlichen Hunde sollte als nicht gefährlich erkannt werden)

Die Zuverlässigkeit des Testverfahrens an sich und die Gültigkeit einzelner Tests durch die einzelnen Gutachter hängst in erster Linie auch von der Qualifikation der Gutachter ab.

Da ein nicht unbeträchtlicher Teil von Verhaltensstörungen eine organische Ursache hat, sollte die Wesensbeurteilung  grundsätzlich dem Tierarzt vorbehalten bleiben und in jedem Fall auch eine gründliche klinische Untersuchung umfassen.

Als grundsätzliche Qualifikation für die Durchführung von Wesenstests für den Kleintierpraktiker wäre meiner Ansicht nach eine Ausbildung und/oder Erfahrung im Bereich Verhaltenstherapie erforderlich sowie ein Fortbildungskurs in dem die Grundsätze einer standardisierten Screeninguntersuchung allgemein und im Speziellen an einem entsprechend validierten Wesenstest in Theorie und Praxis gelernt und geübt werden.

Literatur:

Beaglehole, R., Bonita, R., Kjellström, T.(1997): Einführung in die Epidemiologie. Verlag Hans Huber, Bern,

Feddersen-Petersen, D. (1996): Verhaltensindikatoren zur graduellen Kennzeichnung von Leiden im Rahmen der Hundezucht, -aufzucht und –haltung. Tierärztl. Umschau 51., 171-179

Fox, M.W. (1971): Socio-infantile and socio-sexual signals in canids: a comparative and o­ntogenetic study. Zschr. Tierpsychol. 28, 185-210

Lockwood, R. (1995): The ethology and epidemiology of canine aggression. In: The domestic dog. Edited by J. Serpell. Cambridge University Press.

Schenkel, R (1967): Submission: ist features and function in the wolf and dog. Am. Zoologist 7, 319-329

Schleger, A. (1983): Geschichte und Entwicklung des Bullterriers – genetisch begründete Fitnessminderung in einer einseitig gezüchteten Hunderasse. Dissertation Universität Wien.


A. Univ. Prof. Dr. Irene Stur                                                            Wien, 19. Oktober 2000
Institut für Tierzucht und Genetik
Veterinärmedizinische Universität
A - 12 10 Wien, Veterinärplatz 1
Tel 01/25077/5626
Fax 01/25077/5693


(Anm.: Die Stellungnahme liegt im Original vor.)