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Mit Urteil vom 03.12.2020 - 5 A 1033/18 entschied das OVG Nordrhein-Westfalen, dass es sich nicht um einen Hund einer der in § 3 Abs. 2 LHundG NRW aufgeführten Rassen handelt, wenn dieser kein reinrassiger Hund einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht eindeutig eine Kreuzung einer der aufgeführten Rassen ist.

Angesichts des Schutzzwecks des Landeshundegesetzes ist zunächst an solche im Rassestandard aufgeführten äußeren Merkmale des jeweiligen Hundes zu denken, die konstitutionsbedingt zu der Gefährlichkeitsvermutung beitragen. Dies wird regelmäßig bei der die Kopfform mitprägenden Ausbildung von Kiefer und Gebiss, bei Hals und Brust, der Bemuskelung dieser Körperpartien, der Bemuskelung des Körpers im Ganzen sowie hiermit zusammenhängend bei Größe und Gewicht des Hundes sowie deren Verhältnis zueinander der Fall sein.

Dabei wird im Hinblick auf die Größe jedenfalls eine Unterschreitung des Standards zu einer herabgesetzten Gefährlichkeit führen können. Gerade das Größenkriterium zeigt aber auch, dass der Gesetzgeber nicht allein auf äußere Eigenschaften der in Rede stehenden Hunderassen zur Begründung seiner Gefährlichkeitsvermutung abgestellt hat. So handelt es sich bei den in § 3 LHundG NRW aufgezählten Hunderassen weder um die größten noch die kräftigsten. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass die besondere Gefährlichkeit von Hunden der gelisteten Rassen auch aus angeborenen - d.h. genetisch bedingten - Verhaltensbereitschaften, insbesondere einer erhöhten Aggressionsbereitschaft, resultiert.

Ein derartiger, an das Vorhandensein bestimmter genetischer Vorgaben anknüpfender Ansatz ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Annahme, dass Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier für Leib und Leben von Menschen gefährlich seien, vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig. Auch wenn die Fachwissenschaft offenbar darin übereinstimme, dass das aggressive Verhalten eines Hundes und seine darauf beruhende Gefährlichkeit nicht allein genetisch bedingt seien, schließe sie doch auch nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit genetische Ursachen haben könne.

Ist damit ein genetisches Potential, welches bei dem Hinzutreten weiterer Umstände die aufgelisteten Hunde zu einer Gefahr werden lassen kann, maßgebend, so liegt es in der Logik dieses Gedankens, dass sich eine so begründete Gefährlichkeit jedenfalls in der Regel mit fortschreitender Abnahme dieses genetischen Potentials durch wiederholte Kreuzungen mit anderen Hunden im Zuge der Generationen zunehmend verflüchtigen kann.

Anhaltspunkt für eine insoweit maßgebliche Veränderung des genetischen Potentials kann nach der dargestellten Anknüpfung des Landeshundegesetzes an den jeweiligen Phänotyp und die jedenfalls derzeit fehlende Abgrenzungsmöglichkeit aufgrund von genetischen Untersuchungen allein das äußere Erscheinungsbild des in Rede stehenden Hundes sein.

Angesichts dieses Befundes ist, um eine ufer- und konturenlose Definition der "Kreuzungen" i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW zu vermeiden, ein enges Verständnis des Hervortretens des Phänotyps einer der gelisteten Rassen erforderlich. Nicht ausreichend kann es daher sein, dass ein Hund lediglich einige Merkmale der in Rede stehenden gefährlichen Hunderasse zeigt, selbst wenn diese als einzelne Merkmale deutlich hervortreten. Vielmehr muss man, auch um sowohl Behörden als auch Haltern eines Hundes die Erkennbarkeit und praktikable Handhabung zu ermöglichen, fordern, dass der Standard der in Rede stehenden Rasse im Wesentlichen erfüllt wird und Abweichungen lediglich Randbereiche betreffen. Letzteres mag etwa Fellfarbe, Ohrenform oder Schwanzform betreffen. Demgegenüber müssen die das Erscheinungsbild einer Rasse regelmäßig besonders charakterisierenden Merkmale - wie insbesondere Kopfform, Größe und Gewicht und deren Verhältnis zueinander sowie generell die Proportionen der verschiedenen Körperteile zueinander - vorliegen. Zudem wird man fordern müssen, dass gerade auch die oben genannten, die Gefährlichkeitseinstufung in körperlicher Hinsicht rechtfertigenden körperlichen Merkmale gegeben sind.

Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW sind Kreuzungen nach Satz 1 Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt. Ein deutliches Hervortreten in diesem Sinne kann (nur) dann angenommen werden, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung trotz der erkennbaren Einkreuzung anderer Rassen in markanter und signifikanter Weise die Merkmale einer der in der Vorschrift genannten Rassen zeigt. Die Frage, wann bei einem Hund ein so verstandenes Hervortreten gegeben ist, ist einer rein schematischen Beantwortung nicht zugänglich. Maßgeblich ist vielmehr eine wertende Betrachtung im Einzelfall, die in den Blick nimmt, ob ungeachtet des nicht zu leugnenden Einflusses auch anderer Rassen bestimmte, die in Rede stehende Rasse besonders charakterisierende Merkmale deutlich ausgeprägt sichtbar sind.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Prozessvertreter des Klägers war der 2. Vorsitzende von Hund und Halter e.V., Herr
Rechtsanwalt Lars-J. Weidemann